12 März 2008

Europäischer Frühlingsrat und die Frage: Wie kommen wir eigentlich ins Büro?

Alle paar Monate verwandelt sich die Gegend rund um den Rondpoint Schumann, wo das einzige Hindernis sonst der immer rauschende Verkehr beim Überqueren der mehrspurigen Straße ist, in einen Hochsicherheitstrakt: Strassensperren auf allen Seiten, Stacheldraht, verschweißte Gullideckel, gesperrte Metrozugänge, Sicherheitsleute und Polizeipatrouillen rund um die Uhr. All das haben wir dem vierteljährlich stattfinden Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs zu verdanken, die sich regelmäßig in Brüssel treffen um wichtige (und weniger wichtige) Entscheidungen über das europäische Integrationsprojekt in den sogenannten Ratsschlussfolgerungen bekannt zu geben.

Dafür steht mitten auf der Verkehrsinsel eine Tribüne für das obligatorische Familienfoto der Staats-und Regierungschefs sowie eine fast unüberschaubare Menge an Übertragungswagen von Medien aus aller Herren Länder. Einmal im Quartal bekommt die sonst oft verschmähte EU die mediale Aufmerksamkeit der europäischen Öffentlichkeit. Und obwohl uns das ganze geschäftige Treiben während des Auf-und Abbaus inklusive Verkabelung des gesamten Areals vor dem Ratsgebäude aufgrund der ständig wechselnden Baustellen rund um unser Büro schon fast nicht mehr auffällt, ergeben sich doch wichtige und oftmals ganz persönliche Fragestellungen rund um den Europäischen Gipfel. Dazu gehört zuallererst die Frage: Was essen wir eigentlich zu Mittag? Der tägliche Weg zu den Sandwich-Shops und auch zum Supermarkt ist während der Gipfeltreffen doppelt und dreifach gesichert und durch unüberwindbare stacheldrahtbewehrte Hindernisse versperrt. Sogar Ausweis- und Personenkontrollen sind schon vorgekommen (was in Belgien sonst eigentlich NIE passiert - nicht mal wenn man mitsamt tränenüberströmter Beifahrerin mitten in der Nacht im Schlafanzug in einem Auto mit abgelaufenen Nummernschild und Fernlicht am Königspalast herumkurvt!).

Außerdem stellt sich für manch Einen auch die Frage: Wohin mit meinem (diesen) Auto? (Zufahrt zum Arbeitsplatz ausgeschlossen. Tiefgaragenkarte irgendwo zwischen hier und Strassburg.) Und für uns wiederum: Woher sollen wir die nachmittägliche Bounty-Ration bloss herbekommen? (Metrozugang vernagelt. Alle Einkaufsmöglichkeiten unerreichbar.) Und was ist, wenn ein Krankenwagen benötigt wird - etwa weil ein erneuter Schlitter-Stunt-Sturz des Praktikanten womöglich doch nicht so glimpflich ausgeht?

So kommt es, dass der Europäische Rat auf einmal eine ganz persönliche Dimension bekommt und auf die alltägliche Routine aller in nächster Nähe angesiedelten "Eurokraten" einen überdurchschnittlichen Einfluss entwickelt. Ob das so im Sinne der EU ist, sei mal dahingestellt.

Nur gut, dass der Place Lux in der anderen Richtung liegt und trotz Sicherheitsvorkehrungen immer gut für das alldonnerstägliche Glas Wein zu erreichen ist. Problem ist nur, dass die Verträglichkeit des Weins am Place Lux nachgelassen hat. Was der europäische Gipfel damit zu tun hat, bleibt einstweilen im Nebel. Trotzdem wollten wir diese überaus wichtige Tatsache mal nicht außer Acht lassen und vergnügen uns deshalb heute in Paris' heiligen Hallen in der Hoffnung, dass sich die morgen zu erwartenden Versorgungsprobleme in Grenzen halten werden.

Für alle sonst in frühmorgendlicher Trance ins Büro steuernde blonde Mitmenschen noch der kurze Hinweis: Alternativ-Plan nötig. Üblicher Weg unpassierbar. Einfach weiterschlafen. Oder zurück an den Thresen ;-))